Die seidene Haut

 

Ein Gewebe aus zartester Seide
schwebt undurchdringlich
zwischen uns.
Doch es trennt uns nicht.
Ich kann dich sehen, dich spüren
durch das Gespinst.
Dein Hauch lässt es wehen
wie eine seidene Haut im Wind,
die niemals ruht.

Auf irgendeine Weise, die ich noch nicht verstehe,
verbindet uns dieses Gespinst.

Ich kann dich sehen, dich spüren,
doch kann nicht zu dir.
Ich kann die Haut nicht überwinden, kann nicht aus ihr heraus. 
Du blickst zur Seite, dein Blick ist voller Schmerz,
doch dein Finger spielt mit dieser Seide,
berührt sie sanft und voller Traurigkeit.

Für einen Augenblick kann ich dich berühren,
dir nahe sein, so nah, wie ich noch niemals war.
Die Tränen, die aus deinen Augen fließen,
wischst du mit deinen Fingern weg.

Bruchteile von Sekunden sind wir über
die Fingerspitzen miteinander verbunden.
Diese feuchten Glieder, die die Worte
auf die Seide schreiben,
als sei diese eine Tastatur.

Ich hör dein Schluchzen nicht,
hör nicht die Worte, die du klagst
über das, was dir Schmerzen bereitet
in deiner Seele.

Dein tränennasser Finger streicht zart über das Gespinst
und hinterlässt Worte unendlicher Tiefe.
Wie einen Satz kann ich sie lesen,
denn sie befeuchten die seidene Haut
wie ein Gedicht.

Meine Finger suchen die deinen, um etwas zu begreifen,
und können doch nicht die Stille zum Reden bringen.
Diese ohrenbetäubende Stille, die herrscht,
seit ich weiß, dass es dich gibt.

Kein gesprochenes Wort durchdringt unsere seidene Haut,
kein wirkliches Berühren der Hände erlaubt es uns.
Kein Spüren des Atems, kein Riechen der Sinne
wird uns jemals vergönnt sein.

Jetzt weine auch ich und versuche mit dem nassen Zeigefinger
etwas darzustellen, das wie ein Traum aussieht.
Doch meine Zeilen gleichen niemals den deinen
in ihrer Kraft und ihrer Schönheit.

Es wird niemals sein.

 

Text: Alexander Courz

Bild: Pixabay